Das "Alte" Rathaus feiert seinen 60. Geburtstag

Auf dieser Seite geht Stadtarchivar Dr. Christoph Florian der Baugeschichte des Rathauses am Marktplatz nach, dessen Einweihung am 7. Juni vor genau 60 Jahren gefeiert wurde.

Blick von der Stadtkriche aus, vorne die Ruine des Alten Rathauses

Böblingen hatte in seiner Geschichte schon mehrere Rathäuser. Das erste mittelalterliche Rathaus stand an der Stelle des heutigen. Schon im 16. Jahrhundert wurde es als "Altes Rathaus" bezeichnet, es gab nämlich damals schon den Nachfolgebau am oberen Marktplatz bei der Kirche. Wie der Kupferstich von Merian 1643 zeigt, war letzteres Gebäude von einem Türmchen bekrönt.

Das im 19. Jahrhundert baufällig gewordene Neue Rathaus wurde abgerissen und durch einen unmittelbar daneben liegenden und 1831/1832 errichteten Nachfolgebau ersetzt, der sich gegenüber und nach unten versetzt zum heutigen Fleischermuseum befand. Durch den Luftangriff vom 7. auf den 8. Oktober 1943 wurde dieses Gebäude zerstört.

Nach Kriegsende war schnell die Entschlossenheit da, ein neues Rathaus zu bauen

Arbeiten am Südflügel

Es sollte nicht zuletzt die Altstadt beleben. Am 2. August 1950 beschloss der Gemeinderat nach einem vorausgegangenen Wettbewerb die Architekten Erich Fritz, dessen Entwurf einen Preis bekommen hatte, und Walter Schips mit dem Bau eines neuen Rathauses zu beauftragen. Das neue Rathaus wurde dabei größer geplant als der augenblickliche Bedarf der städtischen Verwaltung es erforderte. Es sollte zu einer Verwaltungszentrale werden, die weitere Dienststellen wie Bezirksnotariat, Katasteramt, Volksbücherei u. a. aufnehmen konnte.

Im Februar 1951 machte man sich ans Werk und konnte schon am 24. August 1951 das Richtfest feiern. Dabei kam es am Rande zu einer kleinen Störung der Feierlichkeit, denn bei der Ruine des alten Rathauses hing eine schwarze Fahne und zwei Demonstranten trugen ein Plakat mit der Aufschrift: „Wo bleiben wir, die Fliegergeschädigten.“ Die Polizei entfernte umgehend die Fahne und beseitigte das Schild.

Das Bauprojekt war unter den Bürgern umstritten

Dies zeigt der oben genannte Zwischenfall. Neben der Kostenfrage gab es in der Bürgerschaft und auch im Gemeinderat Streit wegen der Gestaltung. Im Zentrum der Debatte stand dabei der Rathausturm. Es wurde die mangelnde Harmonie zwischen Hauptbau und Turm kritisiert. Dann gab es Befürchtungen, dass der neue Rathausturm dem Turm der Stadtkirche Konkurrenz machen würde. Überhaupt wurde im Gemeinderat über Sinn und Zweck von Turm, Turmuhr und Glockenspiel debattiert. Zur Beruhigung trug nicht zuletzt der berühmte Architekt Paul Bonatz bei. Denn nach der Besichtigung des fertigen Turms erklärte er, dass dieser sich „gut in das Stadtbild eingliedern“ werde. Der Hauptbau selbst stand übrigens nicht in der Kritik.

Was die Kosten betraf, so setzten Rathausverwaltung und Gemeinderat hier ein Zeichen und verzichteten auf eine besondere Ausgestaltung des Amtszimmers des Bürgermeisters und des Beratungszimmers. Auch bei der Beschaffung von Baumaterialien achtete man auf Sparsamkeit, so war für die vier Eckpfeiler und drei Portale des Rathausneubaus Dettenhausener Sandstein vorgesehen. Die Sandsteine sollten der Schlossruine und der Ruine des Fruchtkastens entnommen werden. Der heutige Rathausbesucher ist also vermutlich der Vergangenheit Böblingens näher als er ahnt.

1952 war das Werk vollendet

Der Dachstock des neuen
Rathausgebäudes

Der neue Bau umfasste 15.600 Kubikmeter Raum, davon 10.000 das Hauptgebäude. Unter den zahlreichen Räumen gab es auch drei Arrestzellen, die sich neben der heutigen Rathauskantine befinden und schon lange nicht mehr benutzt werden. Die Baukosten betrugen am Ende rund 1,4 Millionen DM. Finanziert wurde die Summe überwiegend durch Zahlungen aus dem kommunalen Notstock, einem Sondervermögen des Landes Baden-Württemberg zur Förderung öffentlicher Bauvorhaben.

Das neue Rathaus wurde mit Wertschätzung aufgenommen und allgemein als Ausdruck „des Aufbauwillens“ Böblingens betrachtet. Gelobt wurden die Architekten auch dafür, dass sie bei der Gestaltung des Baus wirkungsvoll den „landstädtischen Charakter Böblingens“ zur Geltung gebracht hätten.

Am 7. Juni 1952 um 14.30 Uhr wurde das neue Rathaus bei Regenwetter eingeweiht

Ein Chor und die Hymne aus der Zauberflöte von Mozart eröffneten die Festlichkeiten. Prominentester Gast war der baden-württembergische Innenminister Fritz Ulrich, der die Glückwünsche der Landesregierung überbrachte. Bürgermeister Wolfgang Brumme hatte zuvor in seiner Rede unterstrichen, was das neue Rathaus sein sollte: „Eine Stätte der Freiheit und der Demokratie, des Rechts und der Selbstverwaltung...“.

Die Stadt zeigte sich spendabel und gab 244 Gutscheine für Essen, 320 für Rauchwaren und 2.449 für Getränke aus. Das Fest klang dann abends mit einem gemütlichen Beisammensein der Böblinger im Schönbuchsaal aus, während mit Anbruch der Dunkelheit Schweinwerfer das neue Gebäude und die Stadtkirche erstrahlen ließen.

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Anfahrt

Das Stadtarchiv ist im Neuen Rathaus am Marktplatz untergebracht. Zu den Verkehrsanbindungen über den ÖPNV bzw. privat siehe hier.