Einblick[e] in den Böblinger Boten von 1854

In dieser Ausgabe des Einblicks in die Stadtgeschichte wirft Stadtarchivar Dr. Christoph Florian mehr als nur einen Blick in einen alten Jahrgang des Böblinger Boten.

Die alten Dokumente im Magazin des Stadtarchivs ermöglichen auf verschiedene Art und Weise Einblicke in die Vergangenheit. Eine besonders reizvolle Möglichkeit in der Vergangenheit zu stöbern, bieten Zeitungen. Sie enthalten eine spannende Mischung verschiedenster Nachrichten.

Die wichtigste Zeitungsquelle zur Böblinger Geschichte ist der Böblinger Bote. Seit knapp 200 Jahren berichtet dieses Blatt über Böblingen. Die erste Ausgabe war am 6. Dezember 1825 unter dem Titel „Wöchentliche Bekanntmachungen“ erschienen und vom Buchdrucker Julius Gottlieb Friedrich Landbeck herausgegeben worden. 1871 kam die Zeitung dann in den Besitz der Unternehmerfamilie Schlecht.

Das Stadtarchiv besitzt die meisten Ausgaben des Böblinger Boten entweder in Papier oder in Form von Mikrofilmen. Verhältnismäßig selten sind Papierexemplare aus dem 19. Jahrhundert, wie beispielsweise die zu einem Band gebundenen Ausgaben des Jahres 1854. Dem Zeitungsleser der Gegenwart fällt bei der Betrachtung des schmucklosen Bands sofort auf, dass das verwendete Format mit rund 27 x 18 Zentimetern, verglichen mit dem heutigen Zeitungsformat, recht klein ausfällt. Der vorliegende Jahrgangsband muss auch eine bewegte Geschichte hinter sich gehabt haben, denn im Eigentümervermerk steht: „Property of Neuffer Rudolph 1916.“ Ein Vorbesitzer des Bandes hat also zweifellos in einem englischsprachigen Land gelebt.

Blättert man den Zeitungsband durch, dann fällt ein weiterer Unterschied zur heutigen Kreiszeitung auf. Der Böblinger Bote erschien damals nur zweimal in der Woche und zwar mittwochs und sonntags. Auch war der Umfang sehr bescheiden, eine Ausgabe umfasste nämlich lediglich vier Seiten.

Verkehrsleitung im 19. Jahrhundert

Inhaltlich setzte sich eine Ausgabe aus drei Teilen zusammen. Zunächst kamen die amtlichen Bekanntmachungen. Der Bote trug nämlich als Zusatzbezeichnung den Titel „Amts-, Intelligenz- und Unterhaltungsblatt“. In der Ausgabe vom 19. März findet sich eine Verlautbarung des königlichen Oberamts (Vorgänger Landratsamt), die unter dem Namen von dessen Leiter Oberamtmann [Emil] Walther herausgegeben worden war. Darin wurde hingewiesen, dass Bewerbungen um Aufnahme in das Armenbad zu Wildbad bis zum 1. April einzureichen seien. Bei dem Armenbad handelte es sich um eine Art Kur für Sozialschwache. Auch über Straßensperrungen wurde im amtlichen Teil informiert, so in der Ausgabe vom 29. Oktober. Dort wurde mitgeteilt, dass die Straße von Aidlingen nach Böblingen über Darmsheim und Dagersheim, der sogenannte Mühlweg, wegen dringender Instandsetzungsarbeiten bis etwa Mitte November gesperrt werden sollte. Fuhrwerke von Aidlingen aus sollten in dieser Zeit die Verbindung über Ehningen oder jene über Dätzingen und Döffingen benutzen.

Auch gesundheitliche Themen fanden in der Rubrik Amtliche Bekanntmachungen Eingang. So warnte während der Erntezeit am 2. August das Oberamt die Erntekräfte vor dem Genuss unreifer Kartoffeln. Auch auf die Gefahren von, an heißen Tagen getrunkenem, Quellwasser für den Magen wies man hin. Um den „lähmende[n] Einfluß des Wassers auf den Magen“ zu mindern wurde anregt, das Wasser mit etwas Branntwein zu vermischen! Ohne Bedenken hingegen kann eine weitere Empfehlung aufgegriffen werden: „daß die Arbeiter bei brennender Sommerhitze den Kopf immer bedeckt erhalten.“

Im amtlichen aber auch in den anderen Teilen der Zeitung finden sich immer wieder Berichte zur Auswanderung nach Amerika sowie über das Land selbst. In den 1850er-Jahren erreichte die Auswanderung in die Vereinigten Staaten aufgrund der katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland ihren Höhepunkt. Daher gab es ein großes Interesse der Leserschaft zu diesen Themen. Typisch dafür ist die Anzeige von Gustav Hübler aus Stuttgart, der seine Dienste als Hauptagent (Vermittler) anbot. Er verkündete, dass Auswanderer nach Amerika über die Häfen Le Havre, Bremen, Antwerpen und Liverpool mit „Post- und Dreimasterschiffen I. Classe die billigste[n], bequemsten und sichersten Ueberfahrts-Gelegenheiten“ hätten.

Auf der Suche nach der "Cylinder-Uhr"

Grafiken im Böblinger Boten
Kleine Grafiken halfen dem Leser bei der Orientierung

Einen interessanten Einblick in das Leben einer kleinen noch sehr bäuerlich geprägten Amts- und Landstadt ermöglicht der Werbeteil der Zeitung. Da wurden am 19. März beispielsweise „Gutkochende Golderbsen das Simri [22,15 Liter] zu zwei Gulden und 50 Kreuzer" angepriesen. Auch für das Angebot von einigen Wagen „guten Dung“ wurde inseriert (8. November). Immer wieder finden sich Anzeigen, in denen nach Lehrlingen gesucht wurden. Der Flaschner Böhmler suchte beispielsweise „einen guterzogenen jungen Burschen“ (10. Mai). Auch Fundsachen waren immer wieder ein Thema. Der Glasermeister Körner aus Sindelfingen hatte seine silberne „Cylinder-Uhr“ auf der Straße zwischen Vaihingen und Sindelfingen verloren und versprach in der Anzeige vom 5. März dem Finder „gute Belohnung“. Albrecht Knoll aus Böblingen wiederum war eine Bulldogge („Bulldogger Race“) zugelaufen und jetzt suchte er mittels eines am 12. März abgedruckten Inserats den Besitzer des Tieres. Der Hund hatte offenbar einen guten Riecher gehabt, denn Knoll war Metzgermeister und verfügte sicher über genug Fleischabfälle, um das Tier zu füttern.

Im letzten Teil der jeweiligen Ausgabe gab es dann allgemeine Nachrichten oder Informationen. So brachte der Böblinger Bote am 10. September eine Meldung, wonach „S[eine] M[ajestät] der König und der Prinz Friedrich“ wohlbehalten von Friedrichshafen zurückgekehrt seien. In der gleichen Ausgabe findet sich ein kleiner Artikel über die Vermehrungsrate eines Feldmauspaares, das in einem Sommer theoretisch 23.070 Nachkommen bekommen konnte. Diese Nachricht hatte einen sehr ernsten Hintergrund, denn das Land hatte in den Jahren zuvor Hungersnöte erlebt und alles, was die Ernte gefährden konnte, wurde aufmerksam registriert.

War die Zeitung auch klein vom Format und Umfang, so bot sie doch ihren Lesern einen Service an, den es heute so nicht mehr gibt. Am Ende des Bandes findet sich nämlich ein Index.

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