Vor 25 Jahren eröffnete die Landesgartenschau: Start einer Serie

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Schon ein viertel Jahrhundert ist es her, dass die Stadt Böblingen Ausrichterin für die Landesgartenschau war und dadurch ihr Stadtbild erheblich und nachhaltig veränderte. In einer kleinen Serie präsentieren wir von April bis Oktober – 1996 die Dauer der Landesgartenschau – monatlich einen Beitrag zu dem, was war und was nachhaltig in der Stadtentwicklung bis heute und in der Zukunft bleibt.

Teil 7: Die Partnerschaftsgärten als Einstieg ins Berufsleben

Mit dem Abschluss-Artikel über die Partnerschaftsgärten blickt nun Tilman Gentner, studierter Diplomingenieur der Landschaftspflege, auf seine Zeit bei der Gartenschau und bei der Stadt Böblingen zurück. Er war damals als Praktikant und später als Diplomand bei der Entwicklung und Konzeption der Partnerschaftsgärten beteiligt und fertigte seine Diplomarbeit darüber an:

Als ich am 1. August 1993 bei der LGS Böblingen 1996 GmbH unter der Leitung des damaligen Direktors Chasid Winograd als Praktikant eingestellt wurde, hatte ich noch keine Ahnung, dass dieses tolle Projekt mein gesamtes Berufsleben bis zum heutigen Tag nachhaltig positiv begleiten würde. Auch 25 Jahre nach der Eröffnung habe ich noch regelmäßigen Kontakt zu zahlreichen damaligen Kollegen, Mitstreitern und Freunden der Gartenbaubranche, auf Eröffnungen von Gartenschauen in ganz Baden-Württemberg läuft man sich regelmäßig über den Weg. Bis zur Eröffnung der Landesgartenschau lagen im Sommer 1993 noch fast drei Jahre vor uns. Die Vorbereitungen, vor allem für die dauerhafte Umgestaltung der Bereiche rund um die Seen, die Kongresshalle, entlang des Murkenbaches sowie beim Schlachthof und der Sporthalle, waren schon in vollem Gange.

Als Praktikant in der Bauleitung neben dem späteren Oberleiter Manfred Wenninger konnte ich mich als Böblinger Bürger sehr gut mit dem gesamten Projekt identifizieren, und mir wurde im weiteren Verlauf der Bauarbeiten, wohl auch wegen meiner guten Ortskenntnis und zahlreichen Kontakte in meiner Heimatstadt, die Realisierung der Partnerschaftsgärten anvertraut.

Beteiligung der Partnerstädte

Schottischer Rosengarten der Partnerstadt Glenrothes

Zu Beginn der Umsetzung wurden alle Partnerstädte angeschrieben, ob sie sich eine Beteiligung vorstellen könnten. Die unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeit der jeweiligen Verantwortlichen der Partnerstädte auf unsere Anfrage spiegelte auch sehr schnell das tatsächliche Engagement über die Dauer der Bauarbeiten auf dem Landesgar tenschau-Gelände wieder. Während die Schotten und Italiener sowohl Arbeitskräfte nach Böblingen entsandten als auch das Baumaterial anlieferten, bekamen wir von unseren französischen und niederländischen Freunden entsprechende Ausführungspläne zugeschickt, welche dann von örtlichen Firmen umgesetzt wurden. Hierbei unvergessen bleiben mir die sehr geselligen Abende in der Brauereigaststätte mit der schottischen Delegation um Ihren Bauleiter John D. McVicar. Nachdem die teilnehmenden Partnerstädte (Glenrothes, Pontoise, Alba und Geleen) feststanden, erwies sich schon die Standortauswahl im zukünftigen Stadtgarten als eine kleine Herausforderung. Für den schottischen und französischen Beitrag wurde aufgrund der tollen Pflanzenvielfalt und gärtnerischen Klasse, unter Abstimmung mit den planenden Architekten der Landesgartenschau, schnell der jeweilige Standort am Unteren See gefunden. Für den italienischen Beitrag konnte, nachdem ein geplanter Trüffelwald am Baumoval sowie ein Weinberg am Murkenbach nicht zustande kamen, der Standort beim Seerestaurant am Ida-Ehre-Platz neben der Kongresshalle ausgewählt werden. Der niederländische Beitrag wurde dann als Abschluss an das Ende der Achse der Partnerschaftsgärten bei der Alten TÜV-Halle platziert.

Auch heute bin ich häufig beruflich in den öffentlichen Grünanlagen der Stadt Böblingen unterwegs, und der Anblick der Gärten erfüllt mich auch fast 30 Jahre nach deren Bau mit Freude und Stolz. Gleichermaßen bin ich dankbar, dass die Beiträge unserer Partnerstädte auch nach der Landesgartenschau erhalten wurden und weiterhin durch die Stadtverwaltung gepflegt werden.

Teil 6: Initialzündung für „Sommer am See“

Begleitend zur Landesgartenschau 1996 fand, wie es für dieses Format üblich ist, ein breit gefächertes Veranstaltungsprogramm statt. Integriert in das Veranstaltungsprogramm waren auch zahlreiche Auftritte von Böblinger Vereinen und Organisationen. Es war der Auftakt zur bis heute mit großem Erfolg bestehenden Reihe „Sommer am See“ – Teil 6 unserer Serie „25 Jahre Landesgartenschau in Böblingen“.

„Das grüne Herz der Stadt soll weiterschlagen“

In seiner Abschlussansprache zur Landesgartenschau 1996 versprach OB Alexander Vogelgsang: „Man wolle sich etwas einfallen lassen, wie der Stadtgarten auch künftig weiterhin belebt werden kann“. Ziel sollte sein, den Stadtgarten zum Identifikationsort für die Böblinger Bürger/-innen werden zu lassen.

Wie ist der „Sommer am See“ entstanden?

In der Folge der Landesgartenschau setzte sich insbesondere das „Böblinger Bürgerforum“, ein Zusammenschluss von Unterstützer/-innen der OB-Kandidatur Alexander Vogelgsangs (es war noch bis ins Jahr 2015 aktiv), dafür ein, dass künftig ein Sommerprogramm im Stadtgarten stattfindet. Das „grüne Herz der Stadt“ sollte weiterschlagen.
In einer Einladung an die Böblinger Vereine mit der Aufforderung, sich an einem künftigen Veranstaltungsprogramm im Stadtgarten zu beteiligen, schrieb der damalige Oberbürgermeister Alexander Vogelsang im Oktober 1996:
„Die Böblinger Landesgartenschau ist erfolgreich beendet worden. Stolz sind wir alle auf den neu entstandenen Stadtgarten, der einen wichtigen Zugewinn an Lebensqualität für unsere Stadt bedeutet. Gleichzeitig bietet er die Chance, die neu geschaffenen Freiräume auch künftig mit Leben zu füllen.“
Für ein künftiges Sommerprogramm im Stadtgarten stellte dann der Böblinger Gemeinderat für das Jahr 1997 erstmalig einen Betrag in Höhe von 100.000 Euro im Haushalt zur Gestaltung und Durchführung eines Sommerprogramms zur Verfügung.

In einem ersten Konzeptpapier erarbeitete das Böblinger Bürgerforum zunächst eine Art „Business Plan“ und entwickelte den Titel „Sommer am See“. Die Organisation und Durchführung der Veranstaltung wurde dem städtischen Amt für Kultur übertragen. Dort übernahm fortan Nurdan Drignath als Leiterin der Abteilung Veranstaltungen die Organisation und Koordination des neu geschaffenen Veranstaltungsformates. Gemeinsam mit dem Hochbauamt wurde in der Folge die Alte TÜV-Halle ertüchtigt und entsprechend eingerichtet und dient seit dieser Zeit als Hauptveranstaltungsort. Nurdan Drignath, die von 1997 bis 2013 die Reihe organisiert hat, kämpfte unermüdlich und mit großer Leidenschaft für den Sommer am See und baute das Programm über die Jahre immer weiter aus. Mit durchschnittlich mehr als 50 Veranstaltungen wurde der Sommer am See so zu einem Böblinger Publikumsmagneten. Die Mischung aus ehrenamtlich organisierten Vereinsfesten und Konzerten, garniert mit einem hauptamtlich organisierten Veranstaltungsprogramm von professionellen Künstler/-innen, ist bis heute die Grundlage des Erfolges vom Sommer am See.

Eine Erfolgsgeschichte

Mehr als 1.000 Veranstaltungen und insgesamt mehr als 250.000 Besucher/-innen haben den Sommer am See in den vergangenen knapp zweieinhalb Jahrzehnten über die Stadtgrenzen hinaus zu einem Erfolgsprojekt und Anziehungspunkt gemacht. 23 Jahre in Folge hat der Sommer am See stattgefunden, ehe er 2020 Pandemie-bedingt erstmals abgesagt werden musste. In diesem Jahr erfolgte nun der Neustart als Open Air auf dem Parkdeck der Böblinger Kongresshalle. Es wird spannend, wie es künftig weitergeht. Dabei bleibt zu hoffen, dass die Alte TÜV-Halle, die Wandelhalle und auch das neu geschaffene „Parkdeck Open Air“ einen Platz im Böblinger Veranstaltungssommer finden.

Teil 5: „WunderGartenPhantasie“ 1996 auch für Kinder ein Erlebnis

Helga Seidler war Gruppenbegleiterin für Gäste der Gartenschau und berichtet über die eigens angelegten Spielplätze, von denen Kinder einen ganz selbst erbauen durften.

Es gab drei Spielplätze mit verschiedenen Themen.

„Kinderbaustelle ThinkBig“

Die Kinder konnten auf dieser großen Baustelle ihrer „Phantasie“ und ihrem Gestaltungsreichtum freien Lauf lassen. Die Baustelle entstand auf dem Gelände des früheren Schlachthofes des Metzgereinkaufs und von zwei Baracken Ecke Heusteig- und Schönbuchstraße.
Diese versiegelten Flächen wurden renaturiert und es entstanden „offene Talwiesen“. Ein Ort für freiraumbezogene Veranstaltungen. Mit ein Grund der LGS war die Renaturierung versiegelter Fläche.
Geleitet und betreut wurde die Kinderbaustelle von dem Künstlerpaar Katja – Malerin und Kunsttherapeutin – und Kalle – Bildhauer, Kunstpädagoge und Walddorfschullehrer aus der Kunstwerkstatt ARTenreich aus der Nähe von Bremen.
Kalle als Bauleiter plante die Projekte und berechnete die Statistik. Es war eine herrliche Möglichkeit für Kinder jeden Alters, handwerklich mit Hammer, Nägeln und Säge umzugehen (was zu Hause oftmals nicht möglich ist). Es waren Teamgeist und gestalterische Fähigkeiten gefordert. Wenn ein Objekt fertig war, hatten sie das Schiff oder ihre Lokomotive gebaut und waren stolz auf ihr Werk.
Es wurden gebaut: ein Schiff mit Kapitän, eine Lokomotive, ein Flugzeug, eine Ritterburg, ein Elefant mit Sänfte, ein Hubschrauber und Robinsons Einsiedelei, alle Objekte waren begehbar.
Zehn Tage wurde an einem Objekt gebaut, dann waren 14 Tage Pause. Es wurden pro Objekt 140 Quadratmeter Schalung mit 6,5 und 8 Zentimeter langen Nägeln verbaut. An den Wochenenden waren immer sehr viele Kinder da, werktags war es ein harter Kern. Mein Enkel mit seinen sechs Jahren war ein eifriger Arbeiter (heute ist er Bauingenieur). Den Kindern hat es sehr viel Spaß gemacht und es war eine tolle Gemeinschaft. Die Objekte konnten zum Leidwesen aller Beteiligten nach der Landesgartenschau nicht stehen bleiben.
Beim Baumoval gab es noch das Kinderzelt mit Spielangeboten und vielen Spielaktionen mit zwei Betreuungspersonen.

„Wasserwildnis“ am Murkenbach

Der zweite Spielplatz war das Kernstück des Spielplatzkonzeptes der ARGE Stadtgarten. Hier wurde der Kindergarten Siebeneck abgerissen und ins alte Wasserwerk am Murkenbach umgesiedelt. Es gibt für alle Altersgruppen geeignete Spielbereiche aus verschiedenen Spielelementen zusammengestellt, die aus unregelmäßig stehenden und liegenden Stangen, Segeltüchern, Netzen und Plattformen bestehen. Die Bauweise des Spielschiffes, des Aussichtsturms oder der Grasinseln erinnert ein wenig an Mikadostäbe. Erbaut wurde dieser Spielplatz von einem Bildhauer- und Künstlerteam um Florian Aigner. Sie hatten 20 Tonnen Eichenholz verarbeitet, die Netze wurden in Handarbeit mit 10.000 Knoten hergestellt. Dieser Spielplatz erfreut sich heute noch größter Beliebtheit.

Kleinkinder-Spielplatz am Oberen See

Der dritte Spielplatz auf der Uferwiese am Oberen See beim Bootshaus ist ein Kleinkinder-Spielplatz mit klassischen Wipp-, Schwing- und Klettergeräten.
Hier können sich die Kinder in Sichtweite der Eltern austoben, während diese sich im Biergarten aufhalten. Dieser Spielplatz besteht auch heute noch und wird sehr gerne genutzt.

Teil 4: 350 Jahre Pflanzen und Gärten im Bild: Pflanzenwunder – Gartenzauber

Kein Jahr hätte besser zur Ausrichtung der Landesgartenschau in Böblingen gepasst als 1996. Hatte doch genau 500 Jahre zuvor die wohl größte Gartenliebhaberin unter den württembergischen Renaissancefürstinnen ihren Witwensitz im Schloss bezogen.

Es war Herzogin Barbara Gonzaga, die ihre Kindheit und Jugend in Mantua in Norditalien verbracht hatte.

Die Gartenliebhaberin Barbara Gonzaga

Nach einer glanzvollen Hochzeit mit Eberhard im Bart im Sommer 1474 in Urach und der nächsten Lebensstation im Residenzschloss in Stuttgart musste sie – durch Kinderlosigkeit und körperliche Gebrechen unglücklich geworden – ihr Lebensende für sieben Jahre in Böblingen fristen. Die Rückkehr zu ihrer italienischen Familie blieb ihr verwehrt.

Orte der Freude und Erquickung fand sie vor allem in einer ganzen Anzahl von Gärten, die sie im Lauf ihres Lebens in Reichweite ihrer Residenzen nach eigenen Vorstellungen anlegen ließ. Darunter befanden sich Nutzgärten, aber auch prächtige Ziergärten, die sie nach dem Vorbild der italienischen Renaissance, deren Anfänge sie persönlich noch in Italien kennen gelernt hatte, anlegen ließ.
In Böblingen war dies ein Garten am Oberen See – die Herrschaftsgartenstraße erinnert namentlich an diesen Garten. Die Liebe zu herrlichen Blumen bringt auch eine Abbildung auf einem Glasfenster im Chor der Tübinger Stiftskirche, das Barbara unter einem Rosenbogen mit roten und weißen Rosen (den Farben Mantuas) darstellt, zum Ausdruck. Der Fürstin und ihrem Leben wurden im Deutschen Bauernkriegsmuseum mehrfach Sonderausstellungen gewidmet – zuletzt in Kooperation mit dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart 2011/2012 „Von Mantua nach Württemberg, Barbara Gonzaga und ihr Hof“. Zur Landesgartenschau 1996 wurde an die besondere langjährige Gartentradition, die vor etwa 500 Jahren mit Barbara in unserer Stadt Einzug gehalten hat, erinnert.

Pflanzenwunder – Gartenzauber

Lutz Ackermann_ohne Titel (3 Kugeln)_1996
Ausschnitt aus dem Plakat zur Sonderausstellung des Bauernkriegsmuseums 1996

Erinnert werden sollte aber nicht allein an Böblinger Gärten, sondern mit der Sonderausstellung „350 Jahre Pflanzen und Gärten im Bild: Pflanzenwunder – Gartenzauber“ an die sich mit der beginnenden Renaissance verändernden Gartenanlagen. Sie entwickelten sich vom rein der Ernährung und Versorgung dienenden Nutzgarten hin zum kunstvoll oft nach strengen schematischen Vorgaben angelegten Garten der Entspannung, des Lustwandels und des Müßiggangs. Kunstelemente dieser Gärten waren symmetrisch angelegte Beete und Wege, Labyrinthe, Skulpturen, Vasen, Brunnen, Wasserspiele und Gewässer. Mit dieser Entwicklung Hand in Hand ging auch die bildliche Darstellung von Menschen, Tieren und Pflanzen in neue Formen über. Während im Mittelalter die Darstellung oft eher gröberen symbolischen Charakter aufweist, beginnt an der Wende vom 15. ins 16. Jahrhundert die detaillierte realistische Darstellung in Vollkommenheit. Erinnert sei hier an Darstellungen Leonardo da Vincis, Albrecht Dürers oder von dessen Schüler Hans Weidlitz.

Sonderausstellung des Deutschen Bauernkriegsmuseums 1996

Der Veränderung hin zur höchst präzisen Darstellung im Bereich der Botanik widmete sich das Deutsche Bauernkriegsmuseum Böblingen unter dessen damaligem Leiter Dr. Günter Scholz in der viel beachteten Sonderausstellung, die während der Landesgartenschau vom 23. Juni bis zum 1. September 1996 in der Böblinger Zehntscheuer stattfand.

Diese Ausstellung fand in Verbindung mit dem Prager Nationalmuseum statt, dessen Kuratorin der Botanischen Abteilung, Blanka Skocdopolová, sowohl an der Ausstellung als auch an der begleitenden Museumsschrift beteiligt war. Zu sehen waren neben Garteninszenierungen und Modellen zahlreiche Abbildungen, Zeichnungen und Bücher von höchstem historischem Wert – beginnend in der frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert.

Teil 3: Gesamtkunstwerk Gartenschaugelände

Kunst ist schön, aber sie macht, das wissen wir alle seit Karl Valentin, viel Arbeit – und umso komplexer verhält es sich mit künstlerischen Akzentsetzungen im öffentlich zugänglichen Raum. Zuweilen muss um die „Aufstellung“ und
„Ausstattung“, bei der es um die Vereinbarkeit vieler Faktoren und verschiedenster Interessenvertretungen geht, geradezu gerungen werden. Die Landesgartenschau und ihre „Untermalung“ durch verschiedene Kunstprojekte kann in dieser Hinsicht als exemplarisch gelten.

Die von der Stadt Böblingen zwischen dem 23. April und 6. Oktober 1996 ausgerichtete Gartenschau ist insbesondere für die beteiligten Akteure ein richtiggehendes Mammutprojekt gewesen.

Vereinbarkeit vielfältiger Faktoren im Vorfeld der Vorbereitungen

Unter der Federführung der als städtische Tochterfirma gegründeten Landesgartenschaugesellschaft (kurz: LGS GmbH), vertreten durch den zum Projektleiter berufenen Stadtplaner Chasid Winograd, der beim Stadtentwicklungsamt
auch für Stadtsanierung zuständig war, gab es neben den organisatorischen Herausforderungen auch Skepsis gegenüber einem solchen Großprojekt, manche Vorbehalte oder gar Gegenwind. Vor Kurzem konnten wir durch die rückblickenden Ausführungen von Oberbürgermeister a.D. Alexander Vogelgsang einen Eindruck vom langen Weg hin zur Realisierung des „grünen Herzens Böblingens“ gewinnen.
Auch bezüglich einer Akzentuierung durch Bildende Kunst sowie begleitender Aktionen, d. h. der „Umrahmung“, „Untermalung“ und „Ausstattung“ der Landesgartenschau durch Werke und Aktionen aus dem Bereich der Bildenden Künste, war ein holpriger
Weg zurückzulegen. Stadtarchivarin Dr. Tabea Scheible hat Corinna Steimel, Leiterin der Städtischen Galerie, für die Recherche nach den damals initiierten künstlerischen Projekten einen Blick in die dicht gestellten Regale mit rund 250 prall gefüllten Aktenordner gewährt. Sie alle befassen sich hauptsächlich mit der Organisation und Koordination der Gartenschau. Sucht man nach dem Stichwort „Kunstprojekte“, findet sich einiges Spannendes. Man braucht nicht übermäßig viel Vorstellungsvermögen mitzubringen, um sich denken zu können, dass bei diesem aufwändigen Stadtgarten-Planungsprojekt die Fäden manchmal leichter, manchmal umständlicher aus den verschiedensten kulturell-künstlerischen Bereichen zusammen- oder auseinanderliefen. Mitunter wurden vorbereitete Konzepte während der mehrjährigen Vorlaufzeit wieder komplett verworfen. Dies alles zu erwähnen, würde den Rahmen sprengen, sodass im Folgenden auf das, was bis heute an Sichtbarem überdauerte und sich harmonisch in die Gartenlandschaft eingefügt hat, näher eingegangen werden soll.

Beauftragung und Budget für Bildende Kunst (Auswahl)

Lutz Ackermann_ohne Titel (3 Kugeln)_1996
Lutz Ackermanns Bodeninstallation wird von Jugendlichen im Sommer gerne als schattiges Plätzchen genutzt.

Das über einen städtebaulichen Wettbewerb qualifizierte Konzept der Architekten/-innen und Landschaftsplaner/-innen sah vor, die Bereiche an und um die beiden Seen, die sich vom Baumdach in der unmittelbaren Nachbarschaft des Elbenplatzes bis hin zum Baumoval erstrecken, landschaftsarchitektonisch und grünflächenplanerisch ansprechend zu gestalten. Von der gattungsübergreifenden Integration verschiedener architektonischer wie baukünstlerischer Elemente zeugen heutenoch die wirkungsvoll kreative Gestaltung mehrerer Brücken, die auf der gesamten Anlage des Stadtgartens vom Baumdach bis zum Baumoval ausgeführt wurden und sich so gekonnt in die Umgebung einfügen, als ob sie schon immer da gewesen wären. Als wirkungsmächtiger Blickfang erstrahlen dagegen die unzähligen, auf schwarz-weißem Schachbrettmuster in lichtreflektierendem Weiß seriell aufgestellten Säulen der Wandelhalle, die sich an der Schnittstelle zwischen Oberem und Unterem See befindet. Wie das Foto auf nachfolgender Seite wundervoll zeigt, verschmelzen die Säulen mit den darumstehenden Birken zu einer Einheit.
Für die übergreifenden, kreativ-kulturellen „Zutaten“ hatte man die „Phantasia GmbH“ verpflichtet. Die erfolgreiche Ausstellung „Oro del Peru – Schätze aus dem Land der Inka“, die in der inzwischen abgebrochenen Sporthalle ausgerichtet wurde und bei der sich die Besuchenden in die interaktive Rolle eines Entdeckungsreisenden begeben konnten, wurde noch von dieser Kreativagentur initiiert, bevor sie ihren Vertrag auflöste. Ein Rätsel muss bisher bleiben, ob die neun majestätisch über den geschnittenen Platanen schwebenden, auf hohen, dreibeinigen Stahlstelzen drapierten Original-Abgüsse alter portugiesischer Vasen des Bildhauers und Objektkünstlers Franz Stähler (verstorben 2018), zwischen Herrenberger Straße und Seetreppe aufgestellt, ebenfalls auf den Vorschlag der Agentur zurückgehen. Dazu konnten bisher keine näheren Angaben in den Aktenordnern gefunden werden.
Dass zu den bereits an zahlreichen Aufstellungsorten um und in den Seen arrangierten Tierplastiken des Böblinger Bildhauers Rudolf Christian Baisch noch zusätzlich skulpturale und bildhauerische Kunstwerke die Gartenschau flankieren und speziell für diesen Kontext installiert werden sollten, wurde im Spätjahr 1994 zur beschlossenen Sache.
Dann versicherte der Landkreis unter dem kunstsinnigen Landrat Dr. Reiner Heeb schriftlich, sich in Form von künstlerischen Beiträgen und eines Wettbewerbs gemäß des Anliegens zur Förderung regionaler Künstler/-innen zu beteiligen. Wenn man bedenkt, dass die Platzierung und die damit einhergehende Finanzierung von Bildender Kunst im Durchführungshaushalt der LGS GmbH ursprünglich nicht extra eingeplant worden war, ist diese glückliche Wendung äußerst positiv einzuschätzen.

Gedanke des künstlerischen Gesamtkonzepts

Umso erwähnenswerter ist die Tatsache, dass unter umsichtiger Abwägung ein gelungenes Zusammenspiel und ein überzeugend aufeinander abgestimmtes Gesamtergebnis erreicht werden konnte. Damit zeigt sich seither allen an den Uferpromenaden der beiden Seen aufmerksam Flanierenden eine schön sichtbare und dadurch anhaltend nachhallende Erfolgsgeschichte auf. Denn der Direktor der LGS GmbH, Chasid Winograd, hatte sich bereits im Vorfeld an die regionalen Kunstschaffenden gewandt, um Vorschläge einzuholen, und damit den künstlerischen Auftrag im Sinne eines Gesamtkunstwerks weiterentwickelt.
In Abstimmung mit dem Landkreis und den verschiedenen Künstlervereinigungen, darunter der Böblinger Kunstverein unter seiner Ersten Vorsitzenden, der vor Kurzem bedauerlicherweise verstorbenen Künstlerin Linde Wallner, sowie Felix Sommer, der sich damals als Vorsitzender des Verbandes Bildender Künstler – Region Böblingen engagierte, traten die vor Ort wohnenden und tätigen Künstlerinnen und Künstler zunächst mit der Phantasia GmbH sowie mit den später mehrfach preisgekrönten Landschaftsarchitekten in gegenseitig inspirierenden Austausch und fruchtbaren Dialog.

Kunstprojekte: Skulpturenweg-Stationen, Aktionen und Ausstellungen

Unter dem Titel „Skulpturenweg“ gab es einen vom Landratsamt ausgelobten und von der Stiftung „Kunst, Kultur und Bildung“ der Kreissparkasse Böblingen mit einem Betrag von 50.000 DM finanziell unterstützten Wettbewerb, der unter dem Motto „Das Spiel – die Geheimnisse der Natur; Wundergarten der Phantasie“ stand. Die dahinterliegende Idee war, dass die künstlerischen Beiträge nicht die Natur dominieren sollten, sondern dass die Kunstwerke im Einklang mit ihrer natürlichen Umgebung agieren und sich harmonisch darin integrieren sollten. Hierfür wurden ausschließlich „heimische“ (Zitat aus dem Schriftverkehr) Künstler/-innen, also Kunstschaffende aus der Region Böblingen, eingeladen, ihre Vorschläge einzubringen.
Von 129 Aufgeforderten reichten insgesamt 26 Künstler/-innen Entwürfe ein. Zehn Positionen wurden von einer hochkarätigen achtköpfigen Fachjury (darunter Ursula Kupke, die Zuständige der Stiftung „Kunst, Kultur und Bildung“ bei der Kreissparkasse Böblingen und langjährige Vorsitzende des galerievereins böblingen e. V. – dem Förder- und Freundeskreis der Städtischen Galerie) ausgewählt und im Anschluss auf dem gesamten Gelände an eigens für die Werke ausgewählten Stellen verteilt.
Unter den Gewinnern waren Größen wie Lutz Ackermann, Hans Bäurle, Gertrud Buder oder Karl Heger. Da ein zunächst einjuriertes Werk aufgrund zu hoher Kosten nicht realisiert werden konnte, ermöglichte dies, eine nachgereichte Position hinzuzurücken:
Siegfried Ulmers skulpturale Installation mit dem wundervollen Titel „Vom Chaos zum Kosmos“, die auf der Wiese am Unteren See in der Umgebung zur Bushaltestelle Parkstraße emporstrebt. An zehn Kunststationen markierten während des Stadt-Gartenschau-Sommers 1996 insgesamt also Objekte, Installationen, Skulpturen und Plastiken den „Skulpturenweg“, der durch das gesamte Landesgartenschaugelände mäandert. Sie setzten sinnliche Akzente, interpretierten und unterstrichen in den künstlerischen Umsetzungen den Slogan der Schau „Wunder, Garten, Phantasie“. Im Rahmen des Wettbewerbs gab es drei dotierte Auszeichnungen: Den ersten Preis der Jury erhielt Hans Bäurle für seine fantasievolle „Königsblumenfamilie“, bei der er schätzungsweise 40 hochgewachsene Stelen bunt bemalt und formenfroh gestaltet hatte.
Der zweite Preis ging an Klaus Josef Behringer für seine installativ angelegte, mit Strom versorgte „Hydrokultur“ (Assemblage aus Glasflaschen, Holz, Blech, Stahl, Keramik) im Birkenhain.
Und den dritten Preis durfte Gertrud Buder entgegennehmen, die ein groß dimensioniertes, sich meditativ im Wind wiegendes Filtertütenobjekt an einer Baumgruppe am Murkenbach befestigt hatte. In der damaligen Pressemitteilung heißt es dazu weiter: „Karl Heger aus Sindelfingen gestaltete ein ringförmiges Gebilde namens „Hörnerreif“ aus Holz, Hans Rösners Steinskulptur „Wassernymphe“ hat ihren Platz am Murkenbach, „Bebe-Sammlerin der Phantasie“ nennt der Sindelfinger Michel Schilling seine Skulptur aus Pappmaché, die Nagolderin Barbara Wieland ließ am Murkenbach einen keramischen Vogelgarten entstehen“.
Im Fahrtwind des Wettbewerbs zum Kunstpfad wurde in der alten TÜV-Halle eine zusätzliche Plattform für Kunstaktionen eingerichtet, wobei der Fokus hier auf dem Entstehungsprozess und dem Experimentierfeldern lag. Hier wurden während der beiden Sommermonate Juni und Juli Aktionstage angeboten, bei denen verschiedene Künstler, darunter etwa Renate Gross, Guillermo de Lucca, Hans Georg Lang, Rudi Weiss, Yasuhiro Matsuoka oder Michel Schilling, mit dem Publikum interagierten, arbeiteten und somit erlebnisreich vorführten, wie Kunst hinter den Kulissen entsteht. Parallel wurden die Besuchenden zum kreativen Mitmachen angeregt.

Franz Stähler_Vasen
Stadtbildprägend und sonnenverwöhnt: Die auf dreibeinigen Stahlträgern drapierten neun Vasen von Franz Stähler.

Tage der offenen Türen

Auf die engagierten Eigeninitiativen der hiesigen Kulturinstitutionen und Kunstvereine zurückgehend, kamen im Begleitprogramm zur Gartenschau noch weitere Kunstangebote hinzu: etwa die „offenen Ateliers“, bei der rund 50 Mitglieder des Böblinger Kunstvereins ihre privaten Arbeitsräume und Werkstätten – lokalisiert im gesamten Umkreis – an bis zu vier Wochenenden während der Laufzeit der Schau für Besuchende öffneten und einen einmaligen wie praxisnahen Blick auf ihre künstlerische Tätigkeit und ihr kreatives Umfeld ermöglichten.

Gewachsene und gezähmte Wunderwelten

Im Museumsgebäude Zehntscheuer war in Zusammenarbeit des Böblinger Kulturamtes mit dem Nationalmuseum Prag eine auf die Thematik abgestimmte, unseren Natursinn ansprechende Ausstellung unter dem Titel „Pflanzenwunder – Gartenzauber“ mit Bildern aus 350 Jahren zu sehen.

Schattenseiten des Schönen

Einiges Kunstvolle musste nach der Laufzeit der Schau im Herbst 1996 wieder abgebaut werden, zum Beispiel Franz Stählers im Baumoval liegend verteilte Vasen, welche am oberen Ausläufer des Gartenschaugeländes platziert die neun Vasen am Baumdach wie als Rahmen abgerundet haben. Man hört, dass die Befürchtung vor einer bewussten Beschädigung zu besorgniserregend war.
Für Hans Bäurles Wind- und Glockenspiel „Königsblumenfamilie“, bestehend aus bunten, glasfaserverstärktem Kunststoff filigran gearbeiteten Stelen, die zwischen 1,40 und 4,30 Meter hoch sind, wurde ursprünglich der Wiesenkanal am Ufer als Aufstellungsort gewählt.
Die Stelen wurden jedoch schon nach kurzer Zeit mutwillig beschädigt und abgeknickt. Um sie besser zu schützen, wurde für die feingliedrige, mehrteilige Arbeit ein neuer Standort gesucht und gefunden, sodass sie innerhalb des Unteren Sees versetzt wurden. Dort jedoch sind die bunten Blumen und Blüten ungeschützt vor Wind und Wetter, vor allem den über das Wasser ungehindert hinwegfegenden Sturmböen ausgesetzt.
Alle Jahre wieder muss die Verankerung der sich unter Wasser befindenden Holzbalkenkonstruktion ertüchtigt werden, weil sie von elementaren Kräften losgerissen wurde und ungehindert herumschwamm.
Neben den insbesondere bei Kunst im öffentlichen Raum und unter freiem Himmel aufgrund von Witterungsschäden regelmäßig anfallenden zeit- und kostenintensiven Wartungen, sind die Gefährdungen durch Zerstörungswut und Vandalismus bis heute eine der größten und bedauerlichsten Schwierigkeiten, bei der schlimme Schäden auftreten können.

Was bleibt...

Wandelhalle

Im Hier und Heute können wir uns noch immer an vielem erfreuen, auch wenn es teilweise, wie soeben geschildert, den ursprünglichen Standort wechselte.
Während manches verschwand, überdauerte auch einiges, und zwar hauptsächlich, weil sich die Verantwortlichen für den Verbleib der vom Publikum geschätzten Objekte einsetzten und überzeugend starke Positionen für die Kunst vertraten. Im Anschluss
an die erfolgsverwöhnte Landesgartenschau wurde rund die Hälfte der die Schau untermalenden, eigentlich temporär ausgeführten, d. h. „auf Zeit“ aufgestellten Werke von der Stadt, dem Landkreis Böblingen oder der Kreissparkasse übernommen oder angekauft.
Heute stammen insgesamt sechs Werke aus der Gartenschau-Zeit. Darunter etwa Lutz Ackermanns unbetiteltes Kunstwerk, welches mit seinen Stahl- und Glasfaserkugeln am Oberen Seeufer Erdverbundenheit und Bodenständigkeit ausdrückt; die poetisch in den Raum greifenden, einstmals von Sukkulenten überwucherten, felsenartigen Sandsteinplatten mit der Betitelung „Sempervivum“ von Hellmuth Erath beim Baumoval seitlich der Schönbuchstraße oder die anmutige „Wassernymphe“ von Hans Rösner im oberen Stadtgarten am Murkenbach (nahe der ehemaligen Sporthalle).

Meistfotografierte Motive und Wahrzeichen im Wandel der Zeiten

Aus ein paar künstlerischen Fußnoten wurden regelrechte „Kunstwahrzeichen“ für die Stadt Böblingen und ihre Identität. Das Ringen um und für die Kunst hatte sich mehr als gelohnt, wie die mittlerweile im Unteren See schwimmenden Blumen der „Königsblumenfamilie“ von Hans Bäurle und die „9 Vasen“ von Franz Stähler – für die sich im Böblinger Sprachgebrauch die antiker klingende Bezeichnung „Amphoren“ eingebürgert hat, obwohl sie im Gegensatz zu Vasen keine Henkel haben, und ohne die man sich beispielsweise das aus Nah und Fern besuchte Event „Schlemmen am See“ heute gar nicht mehr vorstellen kann – eindrücklich beweisen.
Die Kunst wurde von der Bevölkerung, von Jung und Alt angenommen, lädt zum Verweilen ein. Ein beliebter, schattiger Treffpunkt bei heißen Sommertagen sind vor allem für Kinder und Jugendliche die bereits erwähnten drei unter großgewachsenen Bäumen und zwischen deren Wurzeln im Boden versenkten Kugeln von Lutz Ackermann. Nichts bleibt, lautet eine altbekannte Weisheit, wie es ist oder war, alles ist vergänglich, wächst und welkt. Und dennoch bereichert Kunstvolles noch immer das „grüne Herz“ von Böblingen, das angesichts der aktuellen Lage mehr denn je für uns alle zu einem wahrhaftig wichtigen Erlebnisraum geworden ist.

Teil 2: Der lange Weg zur Gartenschau 1996 - Von Oberbürgermeister a. D. Alexander Vogelgsang

Porträt Alexander Vogelgsang

Als im Oktober 1996 die Landesgartenschau Böblingen ihre Tore schloss, meinte ein erfahrener Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums, es sei immer so: Vorher Diskussionen und haufenweise Bedenken, danach seien alle froh, dass man‘s gemacht habe.

Angefangen hatte alles mit heftigen Diskussionen in den Jahren 1986/1987 über die Erweiterung der Kongresshalle. Der „dritte Saal“ spaltete auch den Gemeinderat.
Um aus dieser Blockade herauszufinden, schlugen wir einen städtebaulichen Wettbewerb vor. Dieser sollte die Frage der Kongresshallen-Erweiterung in einen größeren Zusammenhang einordnen: „Vom Bahnhof zum Bauhof“. Der Bauhof lag damals noch an der Breitensteiner Straße.

Gartenschau-Zuschlag, dann städtebaulicher Wettbewerb 1989/1990

Eine der Ideen aus diesem Wettbewerb war die Bewerbung um eine Landesgartenschau im Grünzug mit den beiden Seen. Die Stadt Böblingen bewarb sich also beim Land. Wir erhielten den Zuschlag für das Jahr 1996. Im Dezember 1989 wurde im Gemeinderat ein Wettbewerb für die Realisierung ausgelobt. Bestandteile waren auch die Ergebnisse einer ersten Bürgerbeteiligung und eine Stellungnahme des Bundes für Naturschutz Deutschland (BUND). Der Realisierungswettbewerb mit den zwei Aufgaben „Daueranlage als Stadtgarten“ und „Durchführung 1996“ führte bei 24 teilnehmenden Büros im Mai 1990 zu einem eindeutigen ersten Preisträger: dem Architekturbüro Janson+Wolfrum in Arbeitsgemeinschaft mit den Landschaftsarchitektinnen Schmelzer+Bezzenberger.
Die Jury lobte die differenzierte und unkonventionelle Auseinandersetzung mit der Aufgabe. Sie sah die Daueranlage, den Stadtgarten, im Vordergrund. Der erste Preisträger wurde vom Gemeinderat mit der Entwurfsplanung beauftragt.

Sorgen, Nöte und weitere Entwicklungen von 1990 bis 1992

Oberbürgermeister a. D. Alexander Vogelgsang bei der Eröffnung der Landesgartenschau.
Oberbürgermeister a. D. Alexander Vogelgsang bei der Eröffnung der Landesgartenschau.

Der Herbst 1990 brachte schlechte Nachrichten und ein gereiztes kommunalpolitisches Klima. Auf der einen Seite entfaltete sich in Deutschland der Wiedervereinigungs-Boom.
Auf der anderen Seite erlebte der Raum Böblingen/Sindelfingen eine negative Sonderkonjunktur, vor allem bei der Computer-Industrie und im Automobilbau.
Die Gewerbesteuer sank und die Aussichten der künftigen Jahre schienen düster. Der wichtige Verkauf vom Areal Hulb-Nord an die Mercedes-Benz AG wurde zur Hängepartie, weil das Land Baden-Württemberg dort einen möglichen Standort für seine geplante Sondermüllverbrennung in der engeren Wahl sah (zusätzlich zur Fläche des heutigen Flugfelds). Obendrein produzierte der mehrmonatige Probelauf für den neuen Schlossbergring erstmal jede Menge Stau, Frust und Ärger.
Prompt kam ein erster Antrag aus dem Gemeinderat, aus finanziellen Gründen die Landesgartenschau nicht durchzuführen. Die Sorge war groß, dass sie in vollem Umfang durch zusätzliche Schulden finanziert werden müsste. Stattdessen sollte der Stadtgarten so oder so ähnlich schrittweise entsprechend der Haushaltslage verwirklicht werden.
Auch ich war mir nicht sicher, ob wir den finanziellen Kraftakt bis 1996 würden stemmen können. Andererseits gab es in der Vergangenheit schon manche Absichtserklärung für einen Stadtgarten und dann war die Haushaltslage immer gerade nicht günstig oder andere Wünsche schoben sich in den Vordergrund.
Die Gartenschau-Planer überlegten nun, wo am Entwurf noch Einsparungen möglich sein könnten: zum Beispiel ein kleineres Gelände, keine Vergößerung der Seen, keine Kongresshallen-Insel, kein dauerhaftes Verschwinden der Schönbuchstraße.
Außerdem hellte sich der finanzielle Himmel etwas auf. Im Mai 1991 stimmte der Gemeinderat mehrheitlich der kleineren Lösung („Schwäbische Gartenschau“) zu.

Fünf Monate später wurde der überarbeitete Entwurf des Stadtgartens beschlossen und eine weitere Bürgerbeteiligung angeregt.
Im Januar 1992 gründeten dann die Stadt und die „Förderungsgesellschaft für die Baden-Württembergischen Landesgartenschauen“ die „Landesgartenschau Böblingen 1996 GmbH“ zur praktischen Planung, Vorbereitung und Durchführung. Geschäftsführer wurden Dirk Gaerte, Erster Bürgermeister, und Baubürgermeister Paul Schaber (bis September 1995). Alle Fäden liefen zusammen bei unserem Gartenschau-Direktor Chasid Winograd. Es wäre so schön gewesen.
Aber erneut stand uns ein stürmischer Herbst bevor. Wieder brachen die Gewerbesteuereinnahmen ein, heftiger, so schien es, als zwei Jahre zuvor. Wieder gab es im Gemeinderat einen Antrag auf Rückgabe der Landesgartenschau: Schau nein, Stadtgarten teilweise ja, aber nach Kassenlage. Wichtige Freiräum-Elemente wie Abriss Kindergarten Siebeneck und Bootshaus am Oberen See wurden abgelehnt. Außerdem sprachen sich in einer Gartenschau-Umfrage der Kreiszeitung 80 Prozent der über 800 Teilnehmer/-innen für die Rückgabe aus.

Erneute Beschlüsse für die Gartenschau 1992 bis 1994

Doch die Planungen waren fortgeschritten, die ersten Bauarbeiten begonnen, sodass im Dezember 1992 eine ausreichende Mehrheit im Gemeinderat zum wiederholten Male die Gartenschau 1996 beschloss. Dieses Mal ohne Einzäunung und mit kleinerem Schauteil, entsprechend einem interfraktionellen Antrag.
Doch die Aufregungen hielten auch im folgenden Jahr an. So sollten nach Anträgen im Gemeinderat und aus der Bürgerschaft entgegen mehrfacher Beschlusslage Teile des Schlachthofs und vor allem der Metzgereinkauf (mit attraktiver Halle) bestehen bleiben.
So sehr die Wünsche nach Erhalt und kultureller oder sportlicher Nachnutzung nachvollziehbar waren, eine Gemeinderatsmehrheit bestätigte im April 1993 und im Februar 1994 unbeirrt den eingeschlagenen Weg für einen durchgehenden grünen Freiraum vom Oberen See bis zum alten Bauhof.

20 Baustellen-Touren: Skepsis weicht Neugier und Zufriedenheit

Mir war klar geworden, dass man über die Bürgerbeteiligung hinaus in der Einwohnerschaft viel intensiver für das Neue, den Stadtgarten, werben musste. Ein Kollege hatte mir den Tipp gegeben:
Baustellen-Touren! Also zog ich 20 Mal samstags von Juni 1993 bis November 1995 los, mit einem Megaphon und vor allem mit Chasid Winograd, und wir beschrieben das Baustellen- und Pflanzgeschehen.
Unsere Touren fanden einen guten und wachsenden Zuspruch: „Jetzt kannscht wenigstens mitschwätza“, zitierte die Kreiszeitung.

Die anfängliche Skepsis in der Einwohnerschaft wandelte sich. Sogar die 150 Meter lange Wandelhalle erschien inzwischen nicht mehr ganz so größenwahnsinnig.
Am kühlen, aber sonnigen 26. April 1996 eröffnete die Landesgartenschau nach ca. 120 Frosttagen, eingezäunt zu einem Drittel, aber zusätzlich mit dem „Gold der Inkas“ in der Sporthalle, mit qualitätsvollen gärtnerischen Leistungen, einem sehenswerten Veranstaltungsreigen (trotz des Debakels um Harry Owens) und einem sehr engagierten Süddeutschen Rundfunk.

Wir waren erleichtert. Ich hatte den Eindruck, viele Menschen waren neugierig, auch zufrieden und sogar ein bisschen stolz.

Teil 1: Der Stadtgarten als Zentrum der städtischen Naherholung

Aus vielen Teilen einen zusammenhängenden Stadtpark zu schaffen, war das Ergebnis der Landesgartenschau 1996. Er erfreut sich nach wie vor größter Beliebtheit in der Bevölkerung – die Weitsicht der damaligen Akteure wirkt bis heute und in die Zukunft.

Durchgängiger Grünzug mitten in der Stadt

Über aufgestaute Mühlteiche führten einst auf Dämmen die Straßen zu den Stadttoren und schufen die beiden Seen, die unser Stadtbild seither maßgeblich prägen. Die sumpfige Talaue des Murkenbaches war an vielen Stellen schon eingeengt und die beiden Seen nur noch über eine Dole verbunden.

Trotz einer in einigen Punkten strittigen Ausgangslage ergriff die Stadt dann 1989 mit dem städtebaulichen Wettbewerb „vom Bahnhof zum Bauhof“ die einmalige Chance, einen durchgängigen Grünzug von der Stadtmitte bis zum Stadtrand anzulegen.
Mit der Auflösung des Schlachthofes sowie der Verlegung des Bauhofes und des TÜV entstand mitten in der Stadt die Möglichkeit, einen zusammenhängenden Park zu formen und eine bedeutsame Naherholungszone zu schaffen.

Verbindendes Element des Stadtgartens ist der durchgängig wieder freigelegte Murkenbach. Die beiden Seen sind durch eine Wasserrampe mit 16 offenen Wasserstufen miteinander verbunden, dafür wurde die Tiefgarage der Kongresshalle verkleinert. Die Wasserspiele dort werden durch Solarzellen betrieben und der Sonnenschein regelt die Intensität der Fontänen.

Seelandschaft Oberer See

Wasser verbindet Landschaft und Urbanität

Der Obere See repräsentiert mit natürlicher Ufergestaltung die Vorstadt und Landschaft.
Der Untere See mit Seetreppe und Platanendach steht für die urbane, städtische Seite. Inzwischen entsteht an der Herrenberger Straße der stadträumliche Abschluss, am Elbenplatz kommen Altstadt und Unterstadt zusammen.
Die Mitte Böblingens hat sich an die Seen verlagert und ist so zum zentralen Ort der Begegnung geworden: mit Markt, Veranstaltungen und Festen. Entlang der Uferpromenade entwickelt sich die Außengastronomie und bringt Leben in die Stadt.

Bahnhofstraße wird Fußgängerzone, Elbenplatz wird umgebaut

Schon zur Eröffnung der Landesgartenschau sollte die Bahnhofstraße den Weg vom Bahnhof zum Gartenschaugelände als Fußgängerzone weisen. Dieses Vorhaben wurde zwar erst 2015 realisiert, dafür aber mit neuer Unterführung bis hin zur grünen Mitte auf dem Flugfeld verlängert. Nun verbindet die zentrale Fußgängerachse der Stadt die beiden Parkanlagen miteinander und bildet das Rückgrat für die städtebaulichen Entwicklungen in der Unterstadt.

Das letzte Verbindungsstück am Elbenplatz wird gerade angepasst und noch in diesem Jahr fertiggestellt. Damit erhält auch der Schloßbergring die notwendige Anbindung für den dort befindlichen Handel und die kulturellen Angebote. In Richtung Baumoval entstanden in attraktiver Lage am Rand des Stadtgartens außerdem neue Wohnquartiere.

Verbindendes Fest, das bis heute und in die Zukunft wirkt

Das Gartenschaujahr 1996 markierte ein verbindendes Fest für unsere Stadt. Die Veranstaltungsreihe „Sommer am See“ in der alten TÜV-Halle lenkt seither jedes Jahr die Besucher/-innen auch auf die andere Seite des Stadtgartens, wo sich neben der Wandelhalle auch der ehemalige Pavillon der Landesgartenschau befand. Auch der Rosengarten unserer Partnerstadt Glenrothes und weitere Gärten wurden neu angelegt.

Dort zeichnen sich ebenfalls Impulse einer künftigen Entwicklung ab – wenn es etwa um die Erweiterung des Landratsamtes geht und die Parkstraße dann perspektivisch von einer trennenden Verkehrstrasse zu einem verbindenden Band umgestaltet werden kann.

Kraftakt und große Leistung: Stadtgarten erfreut bis heute

Blumen Landesgartenschau

Die Entstehung des Stadtgartens in seiner heutigen Form war mit großen Anstrengungen verbunden – ein enormer Kraftakt aller Beteiligten, von denen einige noch heute dem Gemeinderat und der Verwaltung angehören. Rückblickend hat sich der Stadtgarten als eine große, in die Zukunft weisende Leistung erwiesen, deren Potenzial und Entwicklungschancen uns noch weitere Möglichkeiten bieten.

Die geschaffene Verbindung durch dieses Großprojekt, die damals mit einem Festjahr besiegelt wurde, hält bis heute an und erfreut nicht nur Böblingerinnen und Böblinger.
Freuen Sie sich also mit mir auf die sechs weiteren Artikel unserer Serie „25 Jahre Landesgartenschau in Böblingen“ hier im Amtsblatt, mit denen wir die Monate „Wunder – Garten – Phantasie“ 1996 Revue passieren lassen.

Ihre

Christine Kraayvanger
Bürgermeisterin

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Umwelt und Grünflächen

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